Auf ein Wort

Leitartikel aus unserem Gemeindebrief März/April 2023
von Michael Oberländer

Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?  (Römer 8, 35)


 

Klingt diese Frage nicht etwas provokant? Es fällt uns doch vieles darauf ein. So vieles ereignet sich weltweit und im eigenen Leben, dass wir doch gerne einmal fragen würden: „Wo ist denn da – BITTESCHÖN! – die Liebe Christi ganz nah und ich von ihr ungeschieden? Es gibt doch so vieles, das sich zwischen mich und die Liebe drängt!“

Gerade die Suche nach Geborgenheit und Gewissheit ist doch das große Thema unserer Zeit! Viele „Sicherheiten“ und „Gewissheiten“ haben wir verloren. Vielen Menschen erscheint der Himmel leer, die Erde zu klein für die immer schneller wachsende Menschheit, und die ungewisse Zukunft scheint hauptsächlich Negatives bereitzuhalten.

Die (verheerende) Zukunft ist nur eine Frage der Zeit, nicht eine Frage nach Gott. Gelassenheit verkommt dazu, dass „man“ sich in sein Schicksal fügt, statt sich in seinem Gott zu bergen. Hoffnung beschränkt sich auf den Wunsch, es möge sich bloß nichts ändern oder zumindest nicht schlimmer werden. Das hat uns der Krieg gegen die Ukraine nicht weniger gezeigt wie die weltweiten Folgen der Klimaveränderungen. Wer Geborgenheit, Gewissheit und Zukunft allein in einer intakten Welt zu finden glaubt, muss sich angesichts der aktuellen Entwicklungen in Schöpfung und Menschheit natürlicherweise wie die „letzte Generation“ empfinden – und ist damit bei weitem nicht die erste, die sich so fühlt.

Der Apostel Paulus zählt auf, was Christen wie er damals leiden und befürchten. Auch ihre Angst ist real, hat greifbare Gründe und scheint für die Zukunft wenig Gutes zu verheißen. Sie werden verfolgt, benachteiligt, diskriminiert, kriminalisiert, haben Hunger, sind bedroht durch Waffen und durch die, die über sie verfügen. Sie sind bedroht von dunklen Mächten und finsteren Menschen. Glaubende und nicht glaubende Menschen sind bedroht – damals wie heute. Wann hat es denn jemals in der Menschheitsgeschichte eine sorglos strahlende Gegenwart und Zukunft gegeben?

In eine solche Lage hinein, die von den Menschen der Zeit des Paulus nicht anders empfunden wird als unsere Gegenwart von vielen unserer Zeitgenossen heute, stellt er die o.g. Frage und gibt auch gleich die Antwort: „Nichts kann uns trennen von der Liebe Christi, von der Liebe Gottes in Christus.“ (V. 39)

Was für eine revolutionäre Sicht!

Wenn wir Christen sind, haben wir eine Geborgenheit, die wir uns nicht einreden oder selber „produzieren“ müssen. Keine Schwäche, keine noch so erschreckende Entwicklung und keine Krankheit, auch nicht der Tod, kann uns das nehmen, was Gott uns in Christus geschenkt hat. Ein Leben lang und über unser Leben hinaus können wir ernten, was Gott gesät hat. Die Zeugen der Bibel, hier vertreten durch Paulus, muten uns den Glauben zu, dass der lebendige Christus „im Regiment ist“, wie es die Alten sagten. Und das ist er nicht „irgendwo“, gar hinterm Sternenzelt. Er ist es HIER! Mitten im Elend, inmitten ungelöster Fragen und sprachlosen Leides.

Da ist nicht ein Fleck und nicht ein Problem auf dieser Erde, in dem Jesus Christus nicht Herr ist. Es gibt keine politischen, wirtschaftlichen und persönlichen Scherben und Bruchstücke, deren Heiland und Gott Jesus Christus nicht wäre. Am Ende des 2. Jahrhunderts erhält ein Mann namens Diognet einen Brief, in dem beschrieben wird, was Christen sind. Darin ist zu lesen: „Christen nämlich sind weder durch Heimat noch durch Sprache noch durch Sitten von den übrigen Menschen unterschieden. … sie bewohnen weder irgendwo eigene Städte noch verwenden sie eine abweichende Sprache noch führen sie ein abgesondertes Leben. … Sie heiraten wie alle und zeugen Kinder. … Missachtet werden sie und in der Verachtung gerühmt; verlästert werden sie und doch für gerecht befunden. … Was im Leib die Seele ist, das sind in der Menschheit die Christen. … An einen solch erhabenen Platz hat Gott sie selbst versetzt, den zu verlassen ihnen nicht zusteht. (Möller, Gemeindeaufbau, Bd. 2, S. 147f)

Bitte richtig verstehen: Wir sind nicht die Elite, wir sind nichts Besseres. Es geht um Jesus Christus. An wen sollen wir uns denn halten, wenn nicht an ihn? Wovon sollen wir denn erzählen, wenn nicht von ihm? Wie sollen wir denn leben, wenn nicht nach seinen Worten? Er befreit uns von der Angst, der leere Himmel, die übervölkerte Erde, die trostlose Zukunft könnte alles gewesen sein. Dazu hat uns Christus befreit, dass wir es uns sagen lassen und jedem fragenden und verzagten Zeitgenossen sagen: Das ist und das war nicht alles.

Für unser Leben hier und dann einmal gilt, was Arno Pötzsch als Lied gedichtet hat:
Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand, die er zum Heil uns allen barmherzig ausgespannt.“

Michael Oberländer